Unsere Toten

 

leben fort

 

in den süssen

 

Flüssen der

 

Erde,

 

kehren wieder

 

mit

 

 

des Frühlings

 

leisem Schritt.

 

Und es ist ihre

 

Seele im Wind,

 

die die

 

Oberfläche

 

 

der Teiche

 

kräuselt.

 

 

Indigene Weisheit

*

 

MonatsMärchen

Juni 2023


Gewidmet meiner am 03.Mai verstorbenen Mama.

*

Das VergissMeinNicht


 

Als der liebe Gott die Blumen geschaffen hatte, standen sie alle

fröhlich da.

 

Sie beschauten vergnügt ihre Füßchen, auf denen sie fest und aufrecht

stehen

konnten. Dann betrachteten sie ihre grünen Blättchen, die so fein und zierlich

gestaltet waren, und sie bewegten dieselben im Morgenwinde wie Flügel. Die

meiste Freude aber machte ihnen die zierliche Krone, die der Schöpfer jeder

Blume aufgesetzt hatte. Der einen malte er das Krönlein weiß, der anderen

schön blau, einer dritten rot oder gelb. Zuletzt gab er jeder Blume noch einen

Namen und wies ihr einen Ort an, wo sie fortan wachsen und blühen sollte.

 

Nun gingen die Blumen auseinander und freuten sich sehr über ihr schönes,

farbiges Kleid und über den Namen, den sie erhalten hatten. Die eine ging in

den Garten oder auf die Wiese, andere stellten sich auf das Feld. Viele

wanderten in den Wald und stiegen sogar auf den hohen Berg hinauf. So

hatten alle Blumen zuletzt ein hübsches Plätzchen gefunden und blühten jetzt

fröhlich im warmen Sonnenschein. Nur ein Blümchen, klein und zart, mit

einer himmelblauen Blüte, stand betrübt am Bache und weinte, denn es hatte

seinen Namen vergessen.

 

Als der Herr am Abend durch Feld und Wiesen ging, um zu sehen, wie es den

Blumen ginge, da kam er auch an den Bach und sah das weinende Blümchen.

Und er sprach zu ihm: „Warum weinst du?“ Das Blümchen erzählte nun,

es sei so froh gewesen über sein schönes Kleidchen. Dann habe es mit den

Wellen des Baches gespielt und dabei seinen Namen vergessen. –

Der Herr sprach: „Mein Blümchen, warum bist du nicht zu mir gekommen?

Ich weiß die Namen aller Blumen. Damit du aber weder mich noch deinen

Namen wieder vergisst, sollst du von nun an „Vergissmeinnicht“

heißen.


 

Sage aus dem Mittelalter